Die Secret Sant-Aktion liegt zwar bereits einige Tage zurück, doch in einer Kurzgeschichte wird der Glanz der Weihnachtstage erneut zum Leben erweckt.
Kurzgeschichte: Lina Julie Rode (Q4)
Zwischen Schokolade und schönen Erinnerungen Nikolaus am Lilienthal
Es war ein trüber Freitagvormittag, als ich gerade mehr oder weniger vertieft an meinen Mathehausaufgaben saß. Die Wolken schienen so tief zu hängen, dass sie beinahe die Dächer der Häuser berührten. Das fahle Licht, das sie hindurchließen, machte es nicht einfacher, mich zu konzentrieren. Ich stützte meinen Kopf in die Hände und blickte in den noch kühler wirkenden Raum. Der einzige Grund, warum ich noch versuchte, mich zu fokussieren war, dass ich gleich nach der Freistunde die nächste Mathestunde hatte. Plötzlich drangen vertraute Stimmen zu mir hindurch, gefolgt von einem Lachen. Ich schaute durch die leicht staubige Glaswand der Mensa und erkannte die dazugehörigen Personen sofort. Alle hielten unterschiedlich große Plastiktüten in ihren Händen. Das konnte nur eines bedeuten: Die Secret Santa Aktion war im vollen Gange! Sofort schob ich meinen Stuhl zurück und verließ, nur mit meinem Handy in der Hand, die Mensa. Auf einmal erschien die Winkelberechnung zwischen zwei Vektoren doch eher nebensächlich. Vor dem Oberstufenraum blieb ich stehen und schloss mich an. Ein Lichtblick an diesem bisher so grauen Tag. Bevor wir zu viert allerdings mit der Verteilung starten konnten, musste noch für etwas weihnachtliche Atmosphäre gesorgt werden. Eine Weihnachtsmann-Handpuppe und -Mütze machten unser Auftreten perfekt. Nachdem jeder reihum die Mütze aufgesetzt hatte und wir uns darauf einigten, wem sie eindeutig am besten stand, legten wir unser erstes Ziel fest. Einen kurzen Blick auf die Stundenpläne geworfen und schon stiegen wir die Treppe in den ersten Stock empor. Mit Vorfreude gingen wir die letzten Schritte bis zu unserem ersten Ziel im Neubau. Wie erwartet diskutierten wir im Flüsterton, wer anklopfte, in welcher Reihenfolge wir den Raum betreten, was wir sagen; machen wir Musik an und wenn ja welches Lied? Wir konnten uns schließlich auf den Weihnachtssong schlechthin einigen: „All I Want for Christmas Is You“. Nicht ganz einstimmig, aber hätten wir länger diskutiert, wären die Lollis wahrscheinlich erst zum nächsten Nikolaus bei allen angekommen. Mariah Careys Stimme ertönte leicht blechern aus meinem Handylautsprecher und hallte durch die stillen Gänge. Gerade als ich meine Hand zum Klopfen hob, setzte der Refrain ein. Nachdem wir kein „Herein“ hörten, drückte ich die Türklinke vorsichtig herunter, nur um festzustellen, dass die Tür verschlossen war. Wir fingen an zu lachen und ohne Zeit zu verlieren machten wir uns auf den Weg zurück in den Altbau, in der Hoffnung, diesmal mehr Erfolg zu haben. Diesmal klopfte eine andere Person aus der Gruppe und wir befanden uns jetzt schon in der zweiten Strophe des Songs, doch auch hier standen wir vor verschlossener Tür. Verwundert traten wir ein paar Schritte zurück zur Fensterbank, von der die Wärme der Heizung auf uns strahlte. Irgendetwas stimmte mit der Liste nicht, anders war es nicht zu erklären. Es waren sicher schon 20 Minuten vergangen, ohne dass wir auch nur einen Schokololli ausgehändigt hatten. Keine Minute verging und zwei Schüler kamen uns entgegen. Mit neu zugesendeten Listen der Räume und Klassen konnte die Aktion endlich fortgesetzt werden oder gestartet, wenn man es so sieht. Zuvor machten wir aber noch einen Abstecher zum Lehrerzimmer. Der warm funkelnde Tannenbaum, der auf unserem Weg lag, weckte eine alte Erinnerung. Vor ein paar Jahren hatten eine Freundin und ich ewig versucht, die Lichterkette zu entwirren. Damals vielleicht etwas nervenaufreibend, jetzt zauberte die Erinnerung an diese und etliche weitere Weihnachtstage in der Schule ein Lächeln auf mein Gesicht. Vielleicht wird dieser auch einer davon. Schließlich standen wir vor einem Berg aus Jacken und einem Meer aus Tüten, alle nach Klasse und Stufe geordnet. Mit dem neuen Plan überlegten wir uns eine Route und nahmen einige neue Klassen mit auf. Bevor wir losgehen konnten, wurden wir von einer Lehrkraft aufgehalten, die sich nach dem Absender erkundigen wollte. Aber ohne dieses kleine Rätselraten wäre es schließlich kein Secret Santa. Endlich standen wir wieder vor einer typisch roten Tür und klopften nun schon zum dritten Mal an. Bei der musikalischen Untermalung entschieden wir uns dieses Mal allerdings für „Last Christmas“, vielleicht würde uns dieses Lied mehr Glück bringen. Wir waren fast überrascht, als sich die Tür öffnen ließ. Für einen Moment war es still, während sich dreißig Augenpaare auf uns richteten. Ein Raunen ging durch die Klasse, gefolgt von freudigen Gesichtern. „Was ein schöner Moment“, dachte ich, als wir die Namen auf den Schildern der Lollis vorlasen. Während wir die kleinen Überraschungen verteilten, beobachtete ich den Raum und entdeckte überall kleine Weihnachtsdekorationen, die dem Raum doch etwas Besonderes gaben. Die weiteren Klassenräume auf der Liste führten uns auf einen Rundgang durch die ganze Schule. Die Tüten in unseren Händen leerten sich von Raum zu Raum, bis nur noch ein Stopp anstand: die Villa. Als wir den leeren Schulhof betraten, spürte ich den kalten Wind in meinem Gesicht. Erst jetzt bemerkte ich die feinen Regentropfen, die auf uns herabfielen. Schnee hätte besser gepasst, doch jetzt konnte selbst das Wetter die weihnachtliche Stimmung nicht mehr trüben. Auch in der letzten Klasse blickten wir in strahlende Augen und überraschte Gesichter, als wir mit dem Verteilen begannen. Die freudige Atmosphäre färbte auch, nachdem wir den Raum wieder verlassen hatten, noch auf mich ab. Nach all den verteilten Schokololis fühlte es sich fast so an, als wäre ich selbst beschenkt worden. Gerade rechtzeitig kam ich wieder in der Mensa an. Mein Mathebuch lag noch genauso aufgeschlagen, wie ich es vor zwei Stunden hinterlassen hatte. Auch sonst schien alles unverändert: Das gleiche Klappern der Tablets, das Schreiben der Stifte und leise Gespräche bestimmten die Geräuschkulisse. Auch das Wetter hatte sich nicht gewandelt, anders als meine Stimmung. Ich spürte diese Wärme, die sicher nicht der Sonne zuzuschreiben war, die immer noch von einem Wolkenschleier bedeckt wurde. Langsam packten alle zusammen und verließen ihre Plätze. Wie schnell die Zeit heute vergangen war, dachte ich. In der fünften Stunde saß ich also im besagten Matheunterricht. Während ich versuchte, dem neuen Thema zu folgen, sah ich wie unsere Lehrerin kurz im Nebenraum verschwand und mit mehreren kleinen Schokoladen zurückkehrte. Daraufhin wurden die Stifte niedergelegt und niedliche Schokoladenfiguren verteilt. Schnell waren die „Verhaltensregeln in einem Fachraum“, die man gefühlt jedes Jahr dreimal aufs Neue ausgeteilt bekommt, vergessen und die Schokoladen ausgepackt. Kurz nachdem wir uns alle wieder der Mathematik widmeten, wurde der Unterricht erneut von einem leisen Klopfen unterbrochen. Alle Blicke waren schlagartig auf die Tür gerichtet und schnell war klar, was jetzt bevorstand. Kaum öffnete sich die Tür, erfüllte Weihnachtsmusik den Raum und die Klasse schien für einen Moment innezuhalten. Die strahlenden Gesichter, die freudigen Stimmen und das leise Knistern machten den Tag perfekt. Es war einer dieser kleinen Momente, die einem bewusst machen, dass es oft nicht viel braucht, um einen Tag zu versüßen - heute im wahrsten Sinne des Wortes. Mit dieser Wärme im Herzen wusste ich: Weihnachten naht. ___________________________ Artikel: Lina Julie Rode (Q4) |