Icarus – F**ked up | Episode 2 der Reihe "Kulturelles aus der Hauptstadt"

Im zweiten Teil der Reihe wird das englischsprachige Theaterstück "Icarus – F**ked Up" auf Herz und Nieren geprüft. 

Artikel: Kendra Hoff (Q3)

 

 

 Berlin ganz neu - Kulturelles aus der Hauptstadt 

Episode 2: Theaterstück „Icarus - F**ked Up!“

Das Thema ‚Depressionen und Angstzustände‘ fühlt sich meist schwer zugänglich an, vor allem für Kinder und Jugendliche – das BKA-Theater ändert dies mit dem Stück „Icarus – F**ked Up!“. In einer Länge von gerade einmal 60 Minuten behandelt das Werk auf Englisch einfühlsam die psychischen Probleme eines Fünfzehnjährigen, der sich zwischen Familienleben und schulischem Druck gefangen fühlt.

Das Stück beginnt mit einer vertrauten Szene: Hektischer Familienstress am Morgen. Zwischen den Schreien der kleinen Schwester und nervösen Ausrufen der Eltern wird der Protagonist Sam beim Frühstück immer leiser bis schließlich seine Umwelt verstummt und ein schriller Piepton erklingt. Auch in der Schule läuft es nicht viel besser, denn er soll für die Abschlusspräsentation des Schuljahres endlich ein Thema finden. Mehrfach wird von der jungen Lehrerin daran erinnert, dass die Präsentation einen großen Teil der Note ausmacht. Doch Sam kann sich für nichts begeistern, zumal er sich vor der strengen Prüferin fürchtet, und beteiligt sich deswegen letztlich am Thema seines besten Freundes: Die Geschichte des Ikarus. Am Nachmittag im Skatepark ist Sam zuerst ausgelassen und sorglos, streitet sich dann aber doch mit seinem Freund und bleibt allein zurück. Wieder wird es still und ein gehörntes Wesen erscheint, das Sam langsam umkreist und anschließend wieder verschwindet: Sein persönlicher Minotaurus. Das Wesen, zur einen Hälfte Mensch und zur anderen Stier, fungiert als Symbol für Sams Ängste. Während Sam sich immer weiter von seiner Umwelt und damit auch von seinen ratlosen Eltern und seiner besorgten Lehrerin entfernt, lernt das Publikum neben dem Minotaurus ein weiteres Stück griechischer Mythologie kennen: Die Sage von Ikarus und seinem Vater Dädalus. Je länger der Konflikt zwischen diesen beiden Figuren sich zeitgleich zur Haupthandlung entfaltet, desto mehr werden die Parallelen zwischen Ikarus und Sam deutlich. Beide fühlen sich von den Personen um sich herum nicht richtig gehört – und beide entscheiden sich schließlich zu fliegen. Ikarus´ Entscheidung endet in dessen Tod. Sam „falls apart“ und das wortwörtlich.

Auffällig bei dem Stück ist die Inszenierung eines Teils der Figuren als Puppen. Sam, seine kleine Schwester, sein bester Freund und auch Ikarus samt dessen Vater werden mithilfe von Handpuppen dargestellt. In der sich an das Stück anschließenden Frage- und Feedbackrunde wird auch deutlich warum: Die Darstellung von Sams „Falling Apart“ – einer englischen Redewendung nachempfunden – also der Höhepunkt seiner Verzweiflung, bei dem die Requisite in deren einzelne Bestandteile aufgeteilt wird, ist nur mithilfe der Puppe möglich gewesen. Besagte Szene ist auch mit Abstand die einprägsamste in dem gesamten Stück. Hierfür wurde die Hilfe einer Choreografin zu Rate gezogen, um eindrucksvoller inszenieren zu können, wie Sams Einzelteile scheinbar orientierungslos herumschweben und sich erst nach einer Weile wieder zusammensetzen. Gemeinsam mit dem Licht, das während Sams besonders schwieriger Momente gedimmt wird und dem hohen Ton, der jedes Mal erklingt, wenn der Minotaurus erscheint, werden die Gefühle des Fünfzehnjährigen behutsam nach außen gekehrt und für das Publikum deutlich gemacht.

Das Stück beleuchtet allerdings nicht nur die Depressionen und Ängste Sams, sondern auch die Hilflosigkeit seiner Eltern, die zunächst nicht mit der Verhaltensänderung ihres Sohnes umgehen können. Nach einem besorgten Hinweis seiner Lehrerin und Sam, der sich nach seinem „Auseinanderfallen“ lange Zeit im verregneten Skatepark versteckt, findet ihn schließlich sein Vater. Dieser fragt ihn, wie er Sam helfen kann und was dessen Sorgen sind. Sam kann seine Schwierigkeiten nicht richtig in Worte fassen, doch sein Vater realisiert, dass Sam nicht nur familiäre, sondern auch professionelle Hilfe benötigt.

Letztlich stellt das Stück knapp, aber einprägsam die psychischen Schwierigkeiten eines Jugendlichen und die Reaktion seines Umfeldes auf diese dar. Aufgrund der simplen Figurenkonstellationen ist das Stück allerdings eher für ein jüngeres Publikum geeignet. Die Sprache ist leicht verständlich und sollte daher für Personen ab 15 Jahren keine Barriere darstellen.

Ab Mitte Dezember ist das Stück wieder im BKA-Theater zu sehen. Es ist definitiv einen Besuch wert!

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Artikel: Kendra Hoff (Q3)