Wir haben Herrn Harms sechs Fragen zum Thema, was uns die Schule über das Leben beibringt, gestellt.
Interview: Viktoria Eret (7.1)
Das Leben nach der Schule und wie wir darauf vorbereitet sind FlugBlatt: Welches Wissen sollte Ihrer Meinung nach in der Schule vermittelt werden, das bisher von den Schulfächern nicht umfasst wird? Herr Harms: Das ist eine sehr komplexe Frage. Ich würde grundsätzlich kritischeres Wissen sagen, also zu hinterfragen, was man lernt und warum man dies lernen sollte. Darauf würde ich mehr setzen. Das kritische Hinterfragen wird zwar durch den Anforderungsbereich drei, also das Urteilen, schon abgedeckt, aber das könnte noch stärker geschehen, zum Beispiel, indem man auch die einzelnen Fächer hinterfragt oder den Sinn von Aufgaben. Steuerrecht als neues Fach FlugBlatt: Finden Sie es richtig, den Schüler:innen Grundwissen beizubringen, aber nichts über ihre Steuerrechte oder Mietverträge?
Ich bin aber der Meinung, dass Dinge wie eine Steuererklärung Handwerkszeuge sind, die man sich später noch aneignen kann, weil da keine großen Kompetenzen dazugehören, im Gegensatz zu einer Sprachkompetenz, die wir im Deutschunterricht erlangen. Zum Beispiel, weil man sich in Steuertricks einlesen kann und das System aber so komplex ist, dass man das nicht in der siebten, achten oder auch neunten Klasse beibringen kann. FlugBlatt: Sollten wir denn zum Beispiel aber trotzdem in der Oberstufe einen Leistungskurs zum Thema Steuerrechte einführen? Herr Harms: Als Wahlkurs kann ich mir das schon vorstellen. Gerade wenn man im höheren Alter ein spezielles Interesse in einem solchen Gebiet hat, kann man dann sein Wissen in diesem Feld verstärken. Fächer fürs Leben FlugBlatt: Noch mal zur Verdeutlichung: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Fächer fürs Leben, egal in welches Berufsleben man einsteigt? Herr Harms: Das große Fachspektrum der Schule finde ich an sich richtig so, wie es ist. Man könnte überlegen, ob man noch ein paar Alltagsfächer einführt, die vielleicht dann unbenotet sind, so etwas wie einen Haushalt führen oder mit Geld umgehen. Dafür könnte es AGs oder verpflichtende außerunterrichtliche Angebote geben. FlugBlatt: Was lernen wir denn über das richtige Leben in der Schule und in welchen Fächern? Herr Harms: Die Frage ist eigentlich zu groß, die kann ich jetzt so gar nicht beantworten. Ich kann nur sagen, dass ich diesen klassischen Vorwurf, dass man zu wenig über das Leben lernt, nicht sehe. Denn auch wenn es nicht das praktische Alltagszeug ist, erlernt man Kompetenzen wie zum Beispiel logisches Denkvermögen, das Sprachvermögen und die Fähigkeit über Grenzen hinaus zu denken und Sachen zu hinterfragen. So hat jedes Fach seine Kompetenzen, die man fürs Leben mitnimmt und deshalb will ich jetzt keinem Fach irgendetwas absprechen oder irgendetwas besonders hervorheben. FlugBlatt: Französisch ist ja dafür berühmt, dass man es hat und es wieder vergisst und Latein dafür, dass man es für gar nichts später braucht. Finden Sie es denn richtig, die Schüler:innen für bestimmte Fächer zu verpflichten oder sollten wir es lieber ihnen selbst überlassen, ihre Unterrichtsfächer zu wählen? Herr Harms: Mehr Wahloptionen fände ich sinnvoll. Ich finde es aber trotzdem wichtig, dass es verpflichtende Fächer gibt, einfach für die Vergleichbarkeit und Gerechtigkeit in der Bewertung. Grundsätzlich mehr Wahlfächer sind immer gut, da scheitert es aber vielleicht auch an der Personalpolitik und an der Schule. Grundsätzlich würde ich es begrüßen, aber auf einer verpflichtenden Basis die alle haben. Persönliche Erfahrung FlugBlatt: Hatten Sie denn nach dem Abitur Probleme, in der richtigen Welt klarzukommen und wenn ja, an wen haben Sie sich gewandt, um Hilfe zu suchen? Herr Harms: Ich glaube, jeder muss sich erstmal irgendwie im Leben finden. Insofern gab es schon die Phase, in der ich erst mal gar nicht wusste, was ich machen oder werden wollte. Ich habe aber zum Beispiel ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Zeit gemacht, in der ich über meine Zukunft nachgedacht habe. Das ist jetzt nicht eine Institution, an die ich mich gewendet habe, aber ich habe für mich entschieden, das zu machen, um währenddessen herauszufinden, was ich im Leben erreichen will. Da ist dann zum Beispiel der Lehrerjob bei rausgekommen. Ich habe aber auch nach dreizehn Jahren Abitur gemacht, das ist ein Jahr länger, als alle jetzt haben. Ich glaube schon, dass dieses dreizehnte Jahr für die persönliche Reife wichtig ist. Wenn ich zum Beispiel nach der zehnten Klasse eine Ausbildung begonnen hätte, wie es ja jemand an der ISS machen könnte, weiß ich nicht, wie mein Leben verlaufen wäre. Lehrer zu werden hätte ich mir damals nicht vorstellen können. Deswegen glaube ich, dass das lange Bleiben in der Schule und Sachen zu lernen, um so sein Handwerkszeug für das Leben zu haben, für mich besonders wichtig war. Deswegen fand ich das dreizehnte Schuljahr bei mir auch mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr wichtig und hatte dann mit neunzehn, zwanzig Jahren dann auch den Plan, den ich jetzt gerne lebe. FlugBlatt: Vielen Dank für das Interview! Herr Harms: Immer gerne! ___________________________ Interview: Viktoria Eret (7.1) |