Mein Weihnachtlicher Rundgang. Eine Kurzgeschichte aus dem Lili.

Könnte es nicht das ganze Jahr so sein? Überall kleine Dekorationen, der Duft von Gebäck, Gesang, der durch die Gänge schallt und zusammen entspannte Stunden verbringen. Lest hier eine Kurzgeschichte über die weihnachtlichen Impressionen am Lilienthal-Gymnasium. 

Autorin: Lina Julie Rode (Q1)

 

 

  Mein weihnachtlicher Rundgang 

Eine Kurzgeschichte aus dem Lili

Ich schlage, ganz außer Atem, die weinrote Tür zum Foyer auf. Mit schnellen Schritten erreiche ich den Bildschirm und Blicke auf die Uhrzeit. Schon acht Uhr fünf. Eigentlich bin ich nie zu spät, was war nur los? Ganz durch den Wind weiß ich gar nicht mehr, zu welchem Raum ich muss. Ich krame in meiner Tasche und ziehe mein Handy hervor. Wenige Klicks und „Untis“ öffnet sich auf dem Display. Ein kurzer Hoffnungsschimmer überkommt mich, als ich den kleinen lila Balken sehe. Doch nur Raumvertretung, A-109. Immerhin nicht so viele Treppen laufen, der Morgen war schon anstrengend genug. Ich drehe mich um und schaue zur breiten Steintreppe. Niemand ist zu sehen, nicht mal Herr Gustavus, der immer viel zu viel zu tun hat.

Während ich die Stufen der Treppe emporsteige, fällt mir auf, wie still es ist. Ich halte für einen Moment inne, doch, da ist ein Geräusch. Die Melodie eines Klaviers schallt durch die Gänge und lässt mich vergessen, dass mich nur wenige Schritte von der Mathestunde trennen.

Zarter Gesang setzt ein und ich erwische mich dabei, wie ich die Melodie von „Fröhliche Weihnacht“ mitsumme. Verzaubert von dem Moment, fällt es mir wieder ein: Heute ist Weihnachtssingen, das müssen die letzten Proben sein. Die massiven Mauern erzeugen eine ganz besondere, fast magische Atmosphäre, indem sie die Töne zurückwerfen.  Am liebsten hätte ich noch ewig gelauscht, aber ich setze meinen Weg fort und erklimme die letzten Stufen. Vor mir befindet sich die großzügige Halle, die Lehrerzimmer und Klassenräume trennt.                                                                                                                                    Sofort fällt mein Blick auf den geschmückten Tannenbaum, der warmes Licht zurückwirft, ganz im Kontrast du der eisigen Dunkelheit draußen, die nur von dem schummrigen Licht der Laternen aufgehellt wird. Er muss schon vor einer Weile hier aufgestellt worden sein, im Trubel der Klausuren hatte ich ihn wohl einfach nicht wahrgenommen. Erinnerungen daran, wie wir selbst einmal den Weihnachtsbaum geschmückt haben, mit verzweifelten Versuchen, die Lichterkette zu entwirren.

Ich schlage meine Augen auf und gehe ich durch den Gang, rechts von dem Tannenbaum. Die Tür hinter mir fällt laut zu und der Gesang verstummt. Flackerndes Licht erhellt den Flur, sonst hätte ich die kleinen Raumnummern wohl nicht erkannt. A-109, das muss ganz am Ende, hinter dem Treppenhaus sein. Ein paar Räume später stehe ich vor dem Bio-Lager. Habe ich etwas übersehen?  Vielleicht ist es bloß ein Fehler, denke ich mir. Suchend betrete ich den sogenannten Neubau, von wegen neu, wo dieser Teil doch schon seit den 60ern steht. Doch auch hier, Fehlanzeige. Anders als sonst bin ich seit dem kleinen Weihnachtskonzert gelassen, jetzt wo ich sowieso schon zu spät bin. Mein nächstes Ziel ist der zweite Stock. Bevor ich aber überhaupt das Treppenhaus erreiche, werde ich erneut aufgehalten. Diesmal ist es der Duft von Plätzchen, der aus einem Klassenraum strömt. Zimt, Vanille und Kakao. Mir wird warm ums Herz, viel zu gerne hätte ich jetzt auch von dem Gebäck genascht. Die Tür steht offen und ich spähe hinein. Die Klasse veranstaltet wohl eine Weihnachtsstunde, das hatten wir die letzten Jahre auch immer gemacht. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal so vermissen würde. In einer Ecke steht sogar ein kleiner Tannenbaum, wenn auch nur aus Plastik, der mit einer Lichterkette verziert wurde. Faszinierend, wie ein sonst so kahl wirkender Raum jetzt schon eine fast besinnliche Ausstrahlung hat. Vielleicht liegt es aber auch weniger an der Dekoration als an den Menschen selbst.

Erneut schaue ich auf die Uhr. Die Zeit rast. Das Treppenhaus ist schnell erreicht und meine Schritte hallen laut von den Wänden. Diesmal nehme ich mir vor, meine Suche ohne Unterbrechungen fortzusetzen. Lange hält mein Vorsatz allerdings nicht, noch bevor ich den Altbau erreiche, gewinnt etwas Rotes, Glitzerndes meine Aufmerksamkeit, was unter der Tür hervorschaut. Bei genauerem Hinsehen werden Umrisse von kleinen Rentieren sichtbar, die auf das Papier gedruckt sind. Auf einmal ertönt Gelächter und einzelne Wortfetzen lassen vermuten, dass es um ein lustiges Geschenk geht, dass beim Schrottwichteln gezogen wurde.

Nachdem das Lachen nach und nach verstummt, führt mein Weg weiter in den Altbau. Ich muss endlich an einem Raum klopfen und mich erkundigen, auch wenn das mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr unangenehm werden wird, doch lieber kurz den Unterricht stören als noch weiter in der Schule herumirren. Wobei, bisher war dieser kleine Rundgang echt schön. Ich lausche an den Türen und klopfe vorsichtig an einer. Dabei fällt mir Musik, die aus dem Raum ertönt auf. Diesmal ist es aber keine Weihnachtsmusik. „Merkwürdig“, denke ich. Nach einem „Herein“ stehe ich also in einer achten Klasse. Ich frage vorsichtig: „Wissen sie, wo sich der Raum A-109 befindet?“ – „Ja, im ersten Stock gegenüber dem Lehrerzimmer“, kommt sofort die Antwort. Ich erinnere mich: ausgerechnet diesen Gang habe ich vorhin ausgelassen. Ich bedanke mich und verlasse leise den Raum. Allerdings nicht ohne einen Blick auf das „SmartBoard“ zu werfen. Aus dem Augenwinkel konnte ich das Podium von „Kahoot!“ sehen. Noch eine Runde zum Finale, deswegen waren wohl alle so nervös gewesen. Könnte es nicht das ganze Jahr so sein? Überall kleine Dekorationen, der Duft von Gebäck, Gesang der durch die Gänge schallt und zusammen entspannte Stunden verbringen. Wahrscheinlich wäre es dann aber nichts mehr Besonderes.

Ich höre direkt vor der Aula wieder Proben. „Stille Nacht“ wird gesungen. Die letzten Treppenstufen gehe ich deshalb besonders langsam hinunter und schon stehe ich wieder vor dem strahlenden Weihnachtsbaum. Noch zwei Türen trennen mich vom Matheunterricht. Eine Lehrerin, die Lebkuchen und eine Weihnachts-DVD in der Hand hält, geht an mir vorbei. Ich gehe die letzten Schritte und werfe einen Blick auf das Schild und endlich: A-109

Als ich so vor meinem Raum stehe, ist schon eine halbe Stunde des Unterrichts verstrichen. Ich klopfe an die rote Holztür und trete ein. Blicke richten sich auf mich, wie ich ganz ruhig neben dem Pult stehe. Ich entschuldige mich, immer noch mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Anscheinend hat dieser Tag nicht nur auf mich Einfluss genommen, denn anstatt eine Erklärung einzufordern, bekomme ich einen kleinen Schokonikolaus in die Hand gedrückt. Vielleicht lag es auch daran, dass im Hintergrund „Kevin allein zu Haus“ lief und alle gebannt darauf warten, weiterschauen zu können. Ich blicke mich im Raum um und erkenne überall kleine glitzernde Papiere, mal zusammengeknüllt, mal fein säuberlich glattgestrichen. Endlich an meinem Platz, fragt mich meine Sitznachbarin was mich aufgehalten hat. „Weihnachten“ antworte ich, mit einem Funkeln in den Augen.

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Artikel: Lina Julie Rode (Q1)

 
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