Die Verwaltung ganz bunt – ein Praktikum bei der Beauftragten für queere Lebensweisen

Die Verwaltung ganz bunt – ein Praktikum bei der Beauftragten für queere Lebensweisen

Anna Hansen (10.2)

Steht bei euch die Praktikumssuche an? Anna war letztes Schuljahr in der gleichen Situation und hat jetzt einen spannenden Tipp für euch! Lest hier mehr - auch, wenn ihr nicht in der 9. Klasse seid!

Vom 07.06.2021 bis zum 18.06.2021 habe ich im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg bei der Beauftragten für queere Lebensweisen und gegen Rechtsextremismus mein Schulpraktikum absolviert. Eigentlich finden die Schulpraktika obligatorisch für alle Neuntklässler*innen am Lili statt – nun durften die Praktika erstmals wieder stattfinden, nachdem sie im Jahr davor zu Beginn der Corona-Pandemie ausgesetzt werden mussten. Doch was erwartete mich im Praktikum?

Im Winter 2020 wusste ich kaum etwas über die Behörden im Rathaus. Für mich waren es nur Verwaltungen, wo Papiere gedruckt, geordnet und weitergeleitet werden. Man kann sich dort mit Beschwerden oder mit Nachfragen melden und dann wird sich darum gekümmert. Aber ganz so einfach ist es auch wieder nicht. Erst durch eine Visitenkarte wurde ich wirklich auf die Stelle für queere Lebensweisen aufmerksam. Schon seit den Herbstferien des vergangenen Schuljahres, also knapp neun Monate vor dem Praktikum, habe ich mir Gedanken um meinen Praktikumsplatz gemacht, da es dieses Jahr aufgrund von Covid-19 nicht so einfach sein würde, einen zu finden. Viele Betriebe lehnten Praktikaanfragen direkt ab oder ließen lediglich Student*innen ihre Bewerbungen einreichen. Nach wenigen Monaten und etwa vier Absagen von verschiedenen, thematisch komplett diversen Stellen, habe ich mich schließlich telefonisch bei der Beauftragten für queere Lebensweisen gemeldet. Am anderen Ende der Leitung hat mich Frau Linberg empfangen. Sie ist seit dem Juli 2017 die bisher einzige bezirkliche Beauftragte für queere Lebensweisen in Berlin. In unserem Telefonat schlug sie vor, dass ich persönlich vorbeikomme und mir einen Eindruck vom Arbeitsplatz machen kann. Und nachdem ich später auch meine Bewerbung abgab, konnte mein Praktikum wie geplant im Juni stattfinden.

In den ersten Tagen des Praktikums wurden die üblichen organisatorischen Sachen besprochen: Datenschutz, Hygieneregeln, Termine, die auch außerhalb des Rathauses stattfanden… Dazu hat man mir noch das Rathaus gezeigt, wobei ich ein paar Kolleg*innen kennenlernte. Ich bekam auch Zugriff zum Computer, auch wenn dieser für Schülerpraktikant*innen entsprechend eingeschränkt war. Dadurch konnte ich später aber trotzdem noch produktiv sein, wie z.B. durch Ordnen von E-Mails. Der Computer wurde jedoch die meiste Zeit von Frau Linberg besetzt, da wir auf die Schnelle keinen eigenen für mich beschaffen konnten. Langweilig wurde es dennoch nicht, denn mir wurden auch ganze Stapel von Broschüren, Büchern und Heften zum selbstständigen Informieren zur Verfügung gestellt.

Im Büro hatte ich in den folgenden Tagen dann Aufgaben wie Protokolle kopieren und in die vorhandenen Ordner heften, damit die originalen Protokolle weitergeleitet werden konnten. Außerdem hat Frau Linberg mir auch verschiedene Sachen erklärt, beispielsweise, was Zuwendungen sind. Zuwendungsempfänger*innen reichen finanzielle Pläne für die Durchsetzung ihrer Projekte/Interessen ein, um vom Staat finanziell gefördert zu werden. Beispielsweise habe ich mir die Zuwendungsprotokolle zu dem Projekt „Schönheit ohne Gewalt“ durchgelesen, wo ein Open-Air-Konzert im Regenbogenkiez für den August 2021 geplant wurde. Wenn das Projekt etwas damit zu tun hat, diverse Lebensweisen zu fördern, läuft es über diesen Teil der Verwaltung. Die Zuwendungsanträge habe ich dann auch noch mal zusammengerechnet, ob sie auch richtig eingetragen wurden, indem ich die benötigten Kosten addierte und mit der eingeforderten Zuwendungssumme verglich. Anschließend habe ich das nochmal kopiert. Neben der Büroarbeit waren Frau Linberg und ich auch oft draußen unterwegs, zum Besichtigen der besagten Projekte oder für Besprechungen mit anderen Beauftragten.

Insgesamt kann ich sagen, dass mir das Praktikum Spaß gemacht hat und ich nun besser über die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung und die Planung öffentlicher Projekte informiert bin. Ich denke, dass diese Stelle ein guter Platz war, um mein Praktikum zu machen, auch weil es etwas anders ist als die übliche Verwaltung, wie z.B. im Jugendamt, wo man laut den Aussagen von Frau Linberg und weiteren Kolleg*innen wirklich hauptsächlich nur mit Akten und Ordnern arbeitet. In der Stelle für queere Lebensweisen kann man sich recht viel draußen bewegen, auch wenn der Hauptteil der Arbeit im Büro stattfindet. Außerdem hatte ich auch das Gefühl, dass man hier etwas direkter mit Menschen arbeitet. Leute können sich an die Behörde wenden, wenn sie Schwierigkeiten im Umfeld oder auch am Arbeitsplatz haben oder auch wenn es etwas zu den bereits erwähnten Projekten zu bereden gibt. Zwar konnte ich in diesem Teil keine persönlichen Erfahrungen machen, jedoch konnte ich mir ganze Protokolle und E-Mails zu solchen Vorfällen durchlesen. Und über die geplanten Projekte selber habe ich auch mehr gelernt, wie z.B. über „Arbeit Leben“, was in verschiedene kleinere Projekte, beispielsweise das Projekt „Mento“, unterteilt wird. Denn ich konnte auch darüber recherchieren und mir dadurch ein Bild von den anderen Teilen der Verwaltung machen, die sich dann darum kümmern.

Und auch wenn eine Arbeit in der Behörde nicht zu meinen Wunschberufen gehört, denke ich, dass ich meine Praktikumszeit sinnvoll genutzt habe, da ich die Arbeit in der Verwaltung besser einschätzen und für mein späteres Berufsleben in Erwägung ziehen kann. Da ist eine eigene vorläufige Erfahrung sehr nützlich. Ich kann es anderen Schüler*innen auch nur ans Herz legen, diese Stelle für ihr Praktikum in Erwägung zu ziehen und sich wenigstens mal darüber schlau zu machen. Euer Engagement kann zu mehr Sichtbarkeit der Stelle für queere Lebensweisen führen; auch andere Bundesländer in Deutschland sind nicht weiter als Berlin. Queerness muss sichtbarer werden, auch in der öffentlichen Verwaltung.

Illustration: Anna Hansen (10.2)

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