Sollte ein soziales Pflichtjahr wirklich eingeführt werden?

Jada Emeera (8.1)

Wird ein soziales Pflichtjahr wirklich eingeführt und muss ich es nach meinem Schulabschluss wirklich machen?

Diese Frage stellen sich viele Schüler*innen aktuell in Deutschland.

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Sollte ein soziales Pflichtjahr wirklich eingeführt werden?

Im Deutschen Bundestag und auch in den Medien wird immer wieder über die Vor- und Nachteile eines sozialen Pflichtjahres diskutiert. Manche sehen ein soziales Pflichtjahr als Möglichkeit, den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen: dem Pflegekräftemangel zum Beispiel, aber auch den Folgen des Krieges in der Ukraine und den damit verbundenen Aufgaben in Deutschland. Zuletzt hat sich sogar der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für einen sozialen Pflichtdienst für junge Menschen ausgesprochen. Aber es gibt viele Unstimmigkeiten und es kam bisher noch zu keinem richtigen Ergebnis.

Was ist eigentlich ein soziales Pflichtjahr?

Das soziale Pflichtjahr wird auch allgemeine Dienstpflicht genannt und dient dem Zusammenleben aller Menschen. Es ist eine Dienstpflicht, welche von vielen Politiker*innen gefordert wird. Sie gilt der Idee nach für alle Geschlechter – anders als früher, wo nur Männer einen Wehr- oder Zivildienst absolvieren mussten.

Wo kann ich gegebenenfalls ein soziales Pflichtjahr absolvieren?

Pflichtdienste müssen so gestaltet sein, dass sie in keinem Fall als Zwangsarbeit gelten können, denn Zwangsarbeit ist verboten. Pflichtdienste sind möglich in den verschiedensten Bereichen: zum Beispiel beim Militär, bei der Feuerwehr, beim Strafvollzug, bei Aufräumarbeiten in Fällen der höheren Gewalt – zum Beispiel nach Sturm- oder Flutschäden – oder bei Ärzt*innen und LKW-Fahrer*innen. Dabei darf man sich frei aussuchen, welchem Pflichtdienst man nachgehen möchte. Es hat keine Auswirkungen auf den Beruf, der danach ausgeübt wird.

Was spricht für ein soziales Pflichtjahr?

In vielen Berufen gibt es zu wenig Mitarbeiter*innen oder Personal – vor allem im sozialen Bereich. Dieser Personalmangel würde sich durch die vielen Schüler*innen ausgleichen, die nach dem Schulabschluss ein soziales Pflichtjahr dort ausüben.

Die jungen Menschen könnten Berufserfahrung sammeln und es würde der Berufsorientierung dienen. In dem Bereich, in dem sie später vielleicht arbeiten möchten, könnten sie schon einmal viele Erfahrungen sammeln und sich einen Eindruck verschaffen.

Außerdem ist es bei den Bewerbungen für die verschiedenen Berufe gut zu erwähnen, dass man schon Erfahrungen im jeweiligen Beruf gesammelt hat.

Was spricht gegen ein soziales Pflichtjahr?

Europaweit machen Abiturient*innen ihren Abschluss nach 12 Jahren und beginnen dann mit einem Studium oder einer Ausbildung. Wenn nur in Deutschland ein soziales Pflichtjahr nach dem Abitur eingeführt wird, wären die deutschen Abiturient*innen ein Jahr älter, wenn sie mit ihrem Studium oder ihrer Ausbildung fertig sind. Gerade vor dem Hintergrund, dass internationale Erfahrungen extrem wichtig geworden sind, gerade für Jobs mit tollen Karriereaussichten, könnte ein Altersunterschied von einem Jahr auch entscheidend sein bei der Auswahl eines Bewerbers.

Außerdem haben junge Menschen Bedenken, dass damit der Lernfluss zwischen Schule und Studium unterbrochen wird und es schwerer wird, nach dem sozialen Pflichtjahr wieder mit dem Lernen anzufangen.

Weitere Argumente gegen das soziale Jahr sind erstens, dass nicht jeder Mensch für einen sozialen Dienst geeignet ist, und zweitens, dass jeder frei wählen können sollte, ob er erst seine Ausbildung / sein Studium machen möchte oder noch ein Jahr warten muss damit.

Beim sozialen Pflichtjahr werden zudem ungelernte Arbeitskräfte mitunter in Bereichen eingesetzt, für die man eigentlich extra Ausbildungen absolvieren muss, da diese Tätigkeiten teilweise extrem anspruchsvoll sind und es immer um den Umgang mit Menschen geht. Oft handelt es sich dabei um Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Das kann doch nicht jeder machen, nur weil er dazu verpflichtet wurde.

Gerade im Pflege- und Krankenbereich ist es so, dass das Personal viel zu wenig verdient und viel zu viel arbeiten muss, da zu wenig Arbeitskräfte vorhanden sind. Und diese Lücken würden nun mit jungen Menschen aufgefüllt werden, die noch schlechter bezahlt werden, da sie ja nur eine Aufwandsentschädigung bekommen.

Gibt es bisher Alternativen zum sozialen Pflichtjahr?

Da das soziale Pflichtjahr in Deutschland aktuell noch nicht eingeführt worden ist, gibt es zurzeit nur das FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr) bzw. das FÖJ (Freiwilliges Ökologisches Jahr). Dort arbeiten Menschen zwischen 16 und 26 Jahren in einer gemeinwohlorientierten Einrichtung mit. Damit unterstützen sie das Zusammenleben aller Menschen und sammeln zusätzlich viel Berufserfahrung. Freiwillige erhalten für ihre Arbeit allerdings kein Gehalt, sondern nur eine Art Taschengeld (monatlich mindestens 360€, davon 320€ Taschengeld und 40€ als Verpflegungskostenzuschuss).

Am meisten ausgeprägt ist das Freiwillige Soziale Jahr übrigens in Österreich, wo es als praktische Hilfstätigkeit mit besonderem Lernziel dient; das heißt, dass man dann zum Beispiel Erfahrung im Beruf vorab sammelt und dies dann auch in der Bewerbung schreiben kann. Damit kann man Vorteile haben im Aufnahmeverfahren an einer Hochschule/Universität. 

Wie geht es weiter?

Bei einer Umfrage des Hamburger Opaschowski Instituts für Zukunftsforschung wurden viele Jugendliche aus verschiedenen deutschen Bundesländern befragt. Über 60% der Schüler*innen sind für die Einführung eines sozialen Pflichtjahres bei Jugendlichen. Sie wollen damit den Zusammenhalt fördern und wollen mehr soziale Verantwortung übernehmen; über 25% sind allerdings gegen die Einführung eines sozialen Pflichtjahres.

Weiterhin bleibt allerdings die Frage offen, ob ein soziales Pflichtjahr eingeführt wird oder nicht, da es bisher noch keine Mehrheit im Parlament für ein entsprechendes Gesetz gab.

Der Zukunftsforscher Horst Opaschowski sieht anhand der Ergebnisse der Befragung, die von seinem Institut durchgeführt wurde, dass viele Jugendliche gerade durch Corona und den Ukraine-Krieg ein Interesse am sozialen Pflichtjahr gefunden haben. Wenn man diesen Befund weiterdenkt, würde das bedeuten, dass es gar keinen Bedarf an einer Pflicht zu einem sozialen Jahr gibt. Das soziale Jahr könnte weiterhin freiwillig bleiben und trotzdem würden sehr viele Jugendliche ein Jahr in einer sozialen Einrichtung machen.

Es müssten einfach mehr Anreize geschaffen werden, solch ein soziales Jahr auch ohne Pflicht zu wollen, z.B. eine bessere Bezahlung und ein Anrechnen der Zeit, wenn jemand später einen sozialen Beruf erlernen möchte. Wichtig wäre auch, dass eine Wertschätzung für die jungen Leute klar zu erkennen ist und nicht nur eine Verpflichtung.